Der Austauschsatz von Steinitz

Nicht nur im Zusammenhang mit linearen Abbildungen ist bei der Untersuchung von Vektorräumen die gewählte Basis wesentlich für den mit der Betrachtung verbundenen Aufwand. Gelegentlich möchte man auch, dass bestimmte Vektoren in der Basis auftreten, ohne dass man gleich eine komplette neue Basis zusammenstellen will. In diesem Zusammenhang wird der Austauschsatz von Steinitz wichtig. Er gewährleistet, dass man unter bestimmten Voraussetzungen Vektoren in eine Basis einschleusen kann und so zu einer modifizierten Basis gelangt.

Voraussetzung: V sei ein Vektorraum mit einer Basis B ={b1, b2, b3, ..., bn},
a1, a2, a3, ..., am seien m linear unabhängige Vektoren aus V .
Behauptung: Man kann die Vektoren a1, a2, a3, ..., am so gegen m Vektoren der Basis B austauschen, dass die erhaltene Menge wieder eine Basis von V bildet; mit anderen Worten:
Nach geeigneter Umnummerierung innerhalb der Basis B bildet {a1, a2, a3, ..., am,bm+1, bm+2, ..., bn} eine Basis von V.
Beweis: Zur Beweisführung benutzt man Induktion nach m.
Zur Induktionsverankerung, also für den Induktionsanfang mit m = 1 ist folgendes zu zeigen:
Wenn a1 ein linear unabhängiger Vektor ist, kann man einen der Vektoren aus der Basis B durch a1 ersetzen und erhält wieder eine Basis von V.
Da B eine Basis von V ist, gibt es reelle Zahlen r1, r2, r3, ..., rn, mit denen man a1 als Linearkombination der Vektoren von B darstellen kann: a1 = r1b1 + r2b2 + r3b3 + ...+ rnbn.
Da a1 nach Voraussetzung linear unabhängig ist, also nicht der Nullvektor, können nicht alle Koeffizienten ri den Wert 0 haben. Durch Umnummerieren innerhalb der Basis B kann man erreichen, dass r1 ein solcher von null verschiedener Koeffizient ist. Auflösen nach b1 ergibt dann:
b1 = -(1/r1)a1 + (r2/r1)b2 + (r3/r1)b3 + ...+ (rn/r1)bn.
Jede Linearkombination von b1, b2, b3, ..., bn lässt sich also auch als Linearkombination von a1, b2, b3, ..., bn darstellen. Daher ist {a1, b2, b3, ..., bn} ein Erzeugendensystem von V.
Zum Nachweis, dass {a1, b2, b3, ..., bn} eine Basis von V ist, muss noch die lineare Unabhängigkeit bewiesen werden; dazu ist zu zeigen, dass eine Darstellung s1a1 + s2b2 + s3b3 + ...+ snbn = o nur möglich ist, wenn alle Koeffizienten si den Wert null haben.
Aber wäre s1 verschieden von 0, könnte man a1 als Linearkombination von b2, b3, ..., bn darstellen. Das ist aber nicht möglich, da die Darstellung jedes Vektors bezüglich einer Basis eindeutig ist und der Koeffizient von b1 bei der Basisdarstellung von a1 von null verschieden ist. Also ist s1 = 0.
Dann folgt aber s2b2 + s3b3 + ...+ snbn = o. Da b2, b3, ..., bn linear unabhängig sind, müssen auch die Koeffizienten s2, s3, ..., sn den Wert null haben. Also verschwinden alle si.
Damit ist {a1, b2, b3, ..., bn} als Basis von V nachgewiesen.
Zum Schluss von m-1 auf m (m>2) wird vorausgesetzt, dass von den linear unabhängigen Vektoren a1, a2, a3, ..., am bereits m-1 gegen Vektoren der Basis B ausgetauscht wurden. Man hat also - wieder nach geeigneter Umnummerierung der bi - bereits eine Basis {a1, a2, a3, ..., am-1,bm, bm+1, ..., bn}.
Zu zeigen ist dann, dass man durch Tausch von am gegen einen der Vektoren bm, bm+1, ..., bn wieder eine Basis von V erhält.
Der Rest des Beweises wird nur skizziert; dem Leser wird zur Übung die vollständige Ausführung empfohlen.
In der Darstellung von am in der Basis {a1, a2, a3, ..., am-1, bm, bm+1, ..., bn} können nicht alle Koeffizienten der bi null sein, weil sonst - entgegen der Voraussetzung - die ai linear abhängig wären.
Man kann also einen der Vektoren bm, bm+1, ..., bn - und nach Umnummerierung darf man voraussetzen, dass dies bm ist, als Linearkombination von a1, a2, a3, ..., am-1, am, bm+1, ..., bn darstellen.
Daraus folgt, dass {a1, a2, a3, ..., am-1, am, bm+1, ..., bn} ein ES von V ist.
Und die lineare Unabhängigkeit von a1, a2, a3, ..., am-1, am, bm+1, ..., bn wird ähnlich wie oben bei der Untersuchung des Falls m=1 gezeigt.

Als wichtige Folgerung aus dem Satz von Steinitz ergibt sich, dass aus der Existenz zweier Basen {a1, a2, a3, ..., am } und {b1, b2, b3, ..., bn} eines Vektorraums m = n folgt. Die Anzahl der Elemente einer Basis hängt also nur vom jeweiligen Vektorraum, nicht aber von der gewählten Basis ab. Diese Zahl heißt - wenn der Vektorraum eine endliche Basis hat - die Dimension des Vektorraums. Die Dimension des Vektorraums V wird abgekürzt als dim(V) notiert.

Eine weitere Folgerung ist der Dimensionssatz für lineare Abbildungen: Für jede lineare Abbildung f eines endlichdimensionalen Vektorraums V in einen Vektorraum W gilt: def(f) + rg(f) = dim(V).

Zum Beweis dieses Satzes setze man def(f) = :k; weiterhin sei dim(V) = n. Zu einer Basis B = {b1, b2, b3, ..., bn} des Vektorraums V und einer Basis {a1, a2, a3, ..., ak}von Kern(f) kann man nun nach dem Austauschsatz von Steinitz - nach geeigneter Umnummerierung der bi eine Basis B' von V erhalten, welche die Basisvektoren des Kerns von f enthält:

B' = {a1, a2, a3, ..., ak, bk+1, bk+2, ..., bn}.

Dann erhält man das Bild von f als lineare Hülle von B', also als < f(a1), f(a2)&Mac221;, f(a3), ..., f(ak), f(bk+1), f(bk+2), ..., f(bn) >.

Da a1, a2, a3, ..., ak im Kern von f liegen, ist f(a2) = o für i = 1, 2, ..., k.

Mithin ist Bild(f) = < f(bk+1), f(bk+2), ..., f(bn) > .

Die n-k Vektoren f(bk+1), f(bk+2), ..., f(bn) bilden also ein ES von Bild(f); sie sind linear unabhängig, denn aus

rk+1 f(bk+1) + rk+2 f(bk+2) + ... + rn f(bn) = o folgt f(rk+1 bk+1 + rk+2 bk+2 + ... + rn bn ) = o .

Daher liegt rk+1 bk+1 + rk+2 bk+2 + ... + rn bn im Kern von f und hat somit eine Darstellung r1 a1 + r2 a2 + r3 a3+ ...+ rk ak.

Dann ist aber r1 a1 + r2 a2 + r3 a3+ ...+ rk ak - rk+1 bk+1 - rk+2 bk+2 - ... - rn bn eine Darstellung des Nullvektors als Linearkombination von Vektoren einer Basis. Also müssen alle Koeffizienten ri den Wert null haben. Insbesondere haben daher rk+1 , rk+2 , ... rn den Wert null, was zum Nachweis der linearen Unabhängigkeit zu zeigen war.

Daher ist { f(bk+1), f(bk+2), ..., f(bn) } eine Basis von Bild(f); der Rang von f beträgt somit n - k.

Also erhält man: def(f) + rg(f) = k + (n - k) = n = dim(V); das war zu zeigen.

Lö, 2002-11-21